Langer Tag der Flucht 2025

27. September 2025

Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen

Der „Lange Tag der Flucht“ ist eine von UNHCR Österreich initiierte jährliche Aktions- und Begegnungsplattform, die seit etwa 2012 jeweils im Herbst stattfindet. Heuer fällt er auf den 3. Oktober.


Soziale Unternehmen im Netzwerk von arbeit plus sehen die (Arbeitsmarkt-)Integration geflüchteter Menschen als eine ihrer grundlegenden Aufgaben, zumal Erwerbsarbeit einen wesentlichen Beitrag zu Integration, sozialer Teilhabe und Existenzsicherung leistet (arbeit plus, 2022). Ein rascher Arbeitsmarktzugang ist daher nicht nur für geflüchtete Menschen selbst, sondern auch aus wirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Perspektive notwendig und sinnvoll. Soziale Unternehmen sind hierfür wichtige Partner:innen: Sie verfügen über das nötige Knowhow, um geflüchtete Menschen auf ihrem Weg ins Erwerbsleben bestmöglich zu unterstützen. So auch Frauen aus allen Ländern - DIE Bildungs- und Beratungseinrichtung für Migrantinnen* in Innsbruck!

 

Kursraum mit migrantischen Frauen und Trainerin

Frauen aus allen Ländern

Der gemeinnützige Verein ist seit Juni 2025 Mitglied im Netzwerk von arbeit plus Tirol. Anlässlich des Langen Tages der Flucht  haben wir Katarina Ortner zum Interview gebeten. Gemeinsam und mit einem 30-köpfigen Team setzt sie sich als eine der 3 Einrichtungsleiterinnen von Frauen aus allen Ländern, u.a. für geflüchtete Frauen* ein.

 

Liebe Katarina, „Frauen aus allen Ländern“ unterstützt Migrantinnen* dabei, sich in Österreich, insbesondere am Arbeitsmarkt, zurechtzufinden. Welche Angebote gibt es speziell für geflüchtete Frauen*? 


Wir arbeiten nach einem ganzheitlichen Ansatz und haben als einzige Einrichtung in Tirol sowohl Bildungs- als auch Beratungsangebote für Frauen*, die alle mit kostenloser professioneller Kinderbetreuung durchgeführt werden. Der sehr niederschwellige Zugang zu unseren Angeboten und die Kinderbetreuung sind für viele Frauen* die Voraussetzung, unsere Angebote zu nutzen. Ohne diese Angebote würde sich der Deutschlernprozess oder auch der Einstieg in den Arbeitsmarkt für viele Frauen* ungewollt sehr in die Länge ziehen.


Unsere Angebote sind:

  • Bildung: Deutschkurse, Alphabetisierungs- und Basisbildungskurse, Freie Lernangebote etc.
  • Beratung im Einzel- und Gruppensetting, nach Bedarf mit Dolmetschunterstützung:  psychosoziale Beratung in den Bereichen Bildung, Arbeit, Wohnen, Aufenthalt, Existenzsicherung, Familie, Gewalt, Migration, Diskriminierung, Rassismus etc. Konversationsgruppen, Frauencafés, Informationsveranstaltungen
  • Kinderbetreuung: Zu allen Angeboten wird eine kostenlose, professionelle Kinderbetreuung in der Einrichtung angeboten.

 

Unterscheidet sich das Angebot für Geflüchtete vom Angebot für andere Migrantinnen*?

Das Angebot ist grundsätzlich das gleiche. Bei manchen Bildungsangeboten ist jedoch die Zielgruppe von Fördergeberseite eingeschränkt und z.B. nicht für Asylwerberinnen zugänglich. Nach diesen Vorgaben müssen wir uns als Projektnehmerinnen natürlich halten.


Mehr als 60 % unserer Klientinnen* sind aufgrund von kriegerischen Auseinandersetzungen oder Verfolgung in ihren Herkunftsländern nach Österreich gekommen. Es zeigt sich, dass die Erfahrungen im Herkunftsland und der Flucht vermehrt zu zusätzlichen psychischen Belastungen führen. Darauf versuchen wir in der Beratung, aber auch in den Bildungsangeboten einzugehen.


Gibt es muttersprachliche Beratung?

Wir bieten in unserer Einrichtung Beratung in mehreren Sprachen an und arbeiten auch oft mit Dolmetscherinnen* zusammen. Unsere Mitarbeiterinnen selbst sprechen unter anderem Suaheli, Dari/Farsi, Türkisch, BKS, Russisch, Spanisch, Portugiesisch und Englisch. Außerdem schulen wir alle unsere Mitarbeiterinnen im Gebrauch von einfacher Sprache, so dass ein großer Teil der Beratungen auf Deutsch durchgeführt werden kann. Dabei haben wir die Erfahrung gemacht, dass viele Klientinnen zunächst das Gefühl haben, dass ihr Deutsch nicht gut genug ist. Wenn ein Gespräch aber in einfachem Deutsch geführt wird, merken sie, dass sie eigentlich doch schon sehr viel verstehen und ausdrücken können. Das wirkt stärkend. Die Kommunikation in einfacher Sprache ist also eine Form von Empowerment.

 

Du bist schon lange im Bereich „Integration“ tätig. Was sind für dich die vorrangigen Themen, auf die du dich in deiner Rolle als Projektleiterin von „Frauen aus allen Ländern“,  konzentrierst? 

 

Das zentrale Thema ist für uns immer die Schaffung von niederschwelligen Bildungs- und Beratungsangeboten, die auf die Bedürfnisse und Bedarfe von Frauen* mit Migrations- oder Fluchterfahrung zugeschnitten sind. Hier setzen wir seit vielen Jahren zahlreiche verschiedene Projekte um und sind auch immer offen für neue.


Bei uns stehen konstant etwa 200 Frauen auf unseren Wartelisten für Deutschlernangebote. Daran sieht man, wie groß der Bedarf an Angeboten ist, die sich an der Lebensrealität der Frauen orientieren, d.h. die kostenlos sind, mit Kinderbetreuung angeboten werden, die relevante Themen aufgreifen und von qualifizierten, engagierten Mitarbeiterinnen* durchgeführt werden. Angebote dieser Art müssten dringend ausgebaut werden, denn die Frauen* möchten und können Deutsch lernen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.


Gleichzeitig sehen wir, dass unsere Kursteilnehmerinnen* und Klientinnen* mit vielfältigen Belastungen konfrontiert sind, die sich auch erschwerend auf den Deutschlernprozess auswirken können, wie prekäre Wohn- und Arbeitssituation, traumatische Erfahrungen, Gewalt, Rassismus. Herkömmliche Beratungsangebote sind oft zu hochschwellig und werden deshalb häufig nicht oder sehr spät genutzt. Darauf reagieren wir mit unseren niederschwelligen Angeboten. Die Kombination von Deutschlernangeboten und psychosozialer Beratung wie in unserer Einrichtung hat sich dabei als besonders wirkungsvoll erwiesen, auch in präventiver Hinsicht.


In Bezug auf den Einstieg in den Arbeitsmarkt müssen diese vielfältigen Belastungen und Herausforderungen der Frauen* berücksichtigt und Unterstützungsangebote geschaffen werden. Dabei sind alle Institutionen und Entscheidungsträger_innen gefordert, entsprechende Angebote auszubauen und nicht zu kürzen.

 

Der UNHCR Lange Tag der Flucht  weist mit zahlreichen Veranstaltungen auf die Lebensrealitäten geflüchteter Menschen hin. Wo trifft man dich am 3. Oktober? 

 

Am 3. Oktober werden wir wie gewohnt tagsüber für die Anliegen und Bedarfe von geflüchteten Frauen und deren Familien in unserem gemeinnützigen Verein anzutreffen sein. Am späteren Nachmittag könnte man uns bei der politisch-künstlerischen Performance Remembering 2015: Wer kommt durch? in der Innsbrucker Altstadt antreffen.

 


Danke - und Bitte!


Wir bedanken uns sehr herzlich für das Interview, liebe Katarina Ortner und für eure wertvolle, wichtige und wirksame Arbeit!


Gerne weisen wir auf das Spendenkonto von Frauen aus allen Ländern hin: > Hier könnt ihr geflüchtete Frauen dabei unterstützen, in ihrer neuen Heimat gut Fuß zu fassen! Eure Spende ist absetzbar.


Fotos © Frauen aus allen Ländern